josef taucher hat sich als mensch nie gescheut, die reize der natur dort zu erleben wo er ihnen oft mühevoll nachgehen mußte, in der klamm, auf der stillen alm, im unwegsamen hochgebirge. und er hat sie als emotionale und als netzhauterlebnisse in sich aufgenommen. der maler taucher hat sich dann nicht geniert, davon zu berichten:
eindrucksvoll, wunderbar, heroisch. in der überzeugung, daß ein tiefes subjektives empfinden noch allemal eine basis für eine künstlerische arbeit sein kann, bereitete es ihm keine schwierigkeiten, eine bildform jenseits süßlicher spekualation und kalkulierter beliebigkeit dafür zu finden. erfährt nur die form, nicht der inhalt eine änderung, wenn er nun nicht malerisch, sondern plastisch den »sonnenuntergang« oder die »gipfelwolke und berg« modelliert?
taucher taucht in ein neues medium ein, aber er läßt sich von ihm nicht verführen. nicht verführen zu einer bloßen »erweiterung« zweidimensionalen gestaltens und auch nicht zu einer imitation jener monumentalität, die ihm die sachliche illusionsmalerei im überlegt gewählten bildausschnitt verschaffen konnte. die in den raum übergeführten »naturschauspiele« sind aperqus auf dem boden einer tiefverwurzelten erfahrungsebene und keine leidenschaftlichen berichte mehr. das heißt nun nicht, daß er den erdigen, felsigen boden unter den füßen verliert, sondern im gegenteil, daß er eben genug geist und witz besitzt, auch in knapper form zusammenzufassen. es zeugt aber auch von kühnheit und souveräner distanz gegenüber der inhaltlichen dimension, natur in ihrer stimmungsbetonten erscheinungsform wie eine abbreviatur auf dem weiten feld plastischen gestaltens darzustellen.
den völlig veränderten bezugspunkten, die dadurch entstehen, daß eine weitverzweigte dreidimensionale realität mit ungeheuren ausmaßen in ebenfalls räumlicher ausdehnung künstlerisch sichtbar, erlebbar, erfaßbar gemacht werden soll, begegnet taucher mit einfallsreichtum und formgefühl. die grundlagen schafft er sich durch die entscheidung, im materialbereich nicht die totale verfremdung an den beginn zu stellen. (wie es lesak unter anderen voraussetzungen am beginn der siebziger jahre getan hat). er wählt das holz als naturstoff.
scheite und sprießel geben den naturstücken eine kongruente substanz. ich stelle ihn mir vor, wie er die holzlage als fundus seines neuen künstlerischen ansatzes inspiziert und mit lust und vergnügen die geeigneten stücke aussortiert, wie er an seinem selbst gezimmerten eichentisch sitzt und überlegt, wo er die kantigen, splittrigen bretter einsammeln kann. da kann er sich sicher schon die wirkung der tektonisch geschichteten klötze und der schichtweise übereinander genagelten hölzln vorstellen.
aber die dynamik des wolkengebildes, das wie ein ironisches zitat tatlinscher konstruktionen den raum zerteilt, die kombination zwischen festgefügter und »luftiger« form, die im bogen angeordneten, von »wolkenfetzen« teilweise
verdeckten strahlen der untergehenden sonne, - das bleibt dem tatsächlichen vollzug vor und mit dem material vorbehalten. da wird abgebrochen, geordnet, ineinandergesteckt, werden die formationen und ihre richtung bestimmt, da wird ganz lapidar bemalt: weiß, das sind die wolken, gelb die sonne über, rötlich unter ihnen, und der berg ist erdig braun und felsig weiß. der genagelte sonnenuntergang und das aufgehäufte bergmassiv mit diagonalen wolkenbrettern verkörpern den zugriff eines künstlers, der die plastik aus dem ritual des materialfetischismus befreien möchte und uns gleichzeitig, während unsere landschaftlichen seherfahrungen zu rotieren beginnen, aufmunternd zuzwinkert.
Werner Fenz: Josef Taucher. In: Katalogbuch neue wege des plastischen gestaltens in österreich, steirischer herbst’84 (graz-wien-bochum).
Werner Fenz (1944 -2016), österr. Kunsthistoriker, Ausstellungs- und Projektkurator und Experte für das Werk von Josef Taucher ab den 1970er Jahren.