Frei, aber nicht grenzenlos, geht der steirische Künstler Josef Taucher seit den Sechzigerjahren an die Kunst und das Leben heran. Was die Dolomiten, die Wissenschaft und ein Sonnenuntergang damit zu tun haben, erfuhren wir im mehrstündigen Gespräch.
Ein paar Tage vor seinem 70. Geburtstag darf ich mit Sepp Taucher und seiner Lebenspartnerin über mehrere Jahrzehnte, der Mineralogin Christine Hollerer, riesige Ölgemälde aus dem Keller ans Tageslicht hinaustragen. Man meint, Tauchers gemalte Felswände müssten tonnenschwer wiegen, so gewaltig und gewichtig, wie sie sich in den Blick des Betrachters stellen. Nach unserem Gespräch am Frühstückstisch im eben erst bezogenen Haus sieht man in dieser Malerei noch mehr als ohnehin immer drinsteckte.
Wer mit dem gebürtigen Weizer Josef Taucher über seine Kunst spricht, der klettert mit ihm leichtfüßig von Stein zu Stein durch seine Erinnerungen. In den Jugendjahren beginnt die Leidenschaft für die Berge. Mit seinem jüngeren Bruder Walter, „Woidl", wurde in einer Gruppe von acht Kletterbegeisterten nicht nur die gesamte Weizklamm durchstiegen und erkundet (und die Touren in einem künstlerischen Kletterführer dokumentiert); Hochschwab, Hochtor, viele mehr ... und natürlich die Dolomiten (z. B. die Drei Zinnen über die Dibonakante, Preußriss) sollten den Lebensweg des Künstlers Josef Taucher prägen. Die Pallavicini-Rinne am Großglockner ging man auf Steigeisen hinauf („Spazierengehen mit dem Dackel"), und die Hochschwab-Südwand „sind wir hinuntergelaufen wie die Gamsen", lacht Taucher: „Es war die ultimative Freiheit!"
Das realistische Einschätzen der eigenen Möglichkeiten brachte die Gruppe immer wohlbehalten ins Tal zurück. „Alle sind noch am Leben", betont er, denn „es ist in Ordnung, an seine Grenzen zu gehen, aber als Kletterer darf ich nicht darüber, das geht schief." Himalaya? „Wäre schön gewesen, aber dafür haben wir nie Geld gehabt."
Apropos: Vor dem Besuch der Grazer Ortweinschule arbeitete Josef Taucher einige Jahre als Maschinenschlosser.
Ein Arbeitsunfall verordnete eine vorübergehende Kletterpause - die beste Gelegenheit, um Geld zu sparen für die Ausbildung zum Künstler ...
Forum-Stadtpark-Mitbegründer Richard Winkler und Herms Fritz waren Tauchers streitbare Lehrer an der Ortweinschule, wo er lernhungrig alles ausprobieren konnte. Er wollte herausfinden: „Wie genau kann ich zeichnen und malen?" Und als Ziel formulierte er schon damals: „Wenn ich eine Wolke male, dann muss sie so werden, wie sie ist und nicht nur, wie sie aussieht." Ein Kunstwerk müsse emotional einen Wert haben, wobei die eigene emotionale Befindlichkeit keine Rolle spielt. „Emotionen hat eh jeder", poltert der sonst so ruhige Künstler; Malerei als Therapie sei abzulehnen. Und überhaupt: Diese romantische Vorstellung vom Musenkuss ... „Wenn ich den Pinsel angreife, sind die Musen da." Punkt. Davor gibt es eine vage Vorstellung von dem, was er machen will, und dann „mache ich, was das Bild verlangt und braucht. Der eigene Wille spielt dabei nahezu keine Rolle." Etwa viermal am Tag arbeitet er je 20 Minuten lang konzentriert und rasch und kann nach einer Pause nahtlos dort ansetzen, wo er aufgehört hat.
In maximal zehn Stunden entsteht so ein neues, meist großformatiges Ölgemälde einer Serie. Nur diese werden betitelt: z. B. „Aufwind", „Himmel", „Nacht", „Zwielicht".
Die Beschäftigung mit den Farbenlehren von Goethe und Itten führten Josef Taucher zu seiner eigenen „senkrechten Farbenlehre" und er entwickelte eine Art „Offsettechnik mit dem Pinsel". Als er begann, auf dunklem Untergrund zu malen, traf er auf Unverständnis. Bis heute fasziniert ihn, was das Auge aus bis zu sechs übereinander gelagerten Ölfarbschichten macht oder wie Dunkles hervor- und Helles in den Hintergrund treten kann. Auch sein Spiel mit verschiedenen Perspektiven - Wolken werden so dargestellt, wie er sie als Kletterer gesehen hat - macht seine Gemälde geradezu magisch. „In der Fläche einen Raum zu erzeugen, hat mich immer gereizt", erklärt Taucher, und so blieb sein Ausflug in die Welt der Holzskulptur zwar ein erfolgreicher, aber kurzer, weil: zu leicht, keine offenen Fragen.
Josef Tauchers Liebe zum Berg und Gestein schlug sich nicht nur in der Kletterei und Malerei nieder; er geht auch als anerkannter Mineraloge der Natur auf den Grund und entdeckte und beschrieb vier neue Mineralspezies, verfasste eine Vielzahl an mineralogischer Literatur. Für Taucher sind Kunst und Natur keine Kontrapunkte. Die Natur und ihre Gesetze sind die Grundlage, „Kunst geht aus der Natur hervor". - Es gilt, diese Energie für die Kunst anzuzapfen. Ein Stein ist nichts Totes, sondern „etwas Dynamisches, ein irrer Tumult in winzigen Dimensionen!", beschreibt der Mineraloge dieses „Innenleben". Diese ungeheure Dynamik ist innerhalb der gemalten Bergruhe deutlich spürbar - ein faszinierender Aspekt in seiner Kunst. Offene Fragen in der Malerei? „Ein Sonnenuntergang." Der spürbar einer ist, und nicht nur wie einer aussieht.
Der Kunsthistoriker Wilfried Skreiner (1927-1994) war ein begeisterter Begleiter der künstlerischen Laufbahn Josef Tauchers. An Skreiners Malerwochen nahm Taucher in den Achtzigerjahren teil; Taucher stellt als wichtiger Vertreter der neuen österreichischen Malerei und Plastik seit Mitte der Siebziger sonderzahl national und international aus, wurde immer neben den Größten gereiht und bleibt mit seiner Kunst doch ein Außergewöhnlicher, der sich nicht in den Kunstmarkt einpasst und manchmal sogar als Landschafts- und Bergemaler missverstanden wurde.
„Der Zeitgeist interessiert mich nicht", dröhnt Sepp und zitiert Georg Kreisler: „Wenn Kunst zur Ware wird, hört sie auf, Kunst zu sein." Punktum. Auch das gehört zur ultimativen Freiheit von Sepp Taucher, der im August 2018 seinen 70. Geburtstag begeht.
Claudia Rief: Spazierengehen mit dem Dackel – oder „Die ultimative Freiheit“. Beitrag Kulturportal Steiermark/ArtFaces, http://www.kultur.steiermark.at/cms/beitrag/12681765/25711218/ (abgerufen am 7.12.2018)