Josef Taucher. Malerei. Text.


Walter Titz | Tauch(er)gänge


Josef Taucher, Himmel 2, 1996, Öl/Molino, 230 x 390 cm (Triptychon) Foto © P. Gottwald
Josef Taucher, Himmel 2, 1996, Öl/Molino, 230 x 390 cm (Triptychon) Foto © P. Gottwald

Josef Taucher liebt windumbrauste Gipfel und steile Wände. In seinen Bildern malt er die raue Frische einer so realen wie imaginären Bergwelt. Alles ist wirklich. Und alles ist erfunden. Auf diese Kurzformel könnte man die Kunst des Josef Taucher bringen. Alles wirklich: Die schroffen Felsen. Die fallenden Wasser. Die sonnen- oder mondbeleuchteten Almen. Die Himmel in unterschiedlichstem Blau. Die Wolken. Der Wind, der über die Bergkanten fetzt, die Wasser bewegt, die Almen bestreicht, die Wolken in Form bringt beziehungsweise diese Form zu ständigen Verwandlungen nötigt. Alles erfunden: Tauchers Montage all dessen zu gänzlich neuen Landschaften, in denen oben unten, das Harte weich, vorne hinten ist und der Wind die Wolken auch in die Senkrechte peitschen kann.

 

WIE MALT MAN WIND?

Josef Taucher, trotz seines Namens also ein passionierter Bergsteiger, ist ein legendärer Meister des Understatements: "Keine Ahnung." Etwas genauer, bitte. "Ich weiß nicht, warum etwas wird, wie es wird", gibt er den kreativen Naivling. Allein es fehlt der Glaube. Denn im Gespräch entlarvt er sich immer wieder als ausgefuchster Kenner der Kunstgeschichte und des künstlerischen Handwerks. Der Mann weiß Bescheid um Theorie und Praxis. Aber, und das ist eine wesentliche Qualität seiner Gemälde, Josef Taucher will sich gönnen, was er auch seinem Publikum gönnt: Überraschungen. Und deshalb stellt er sich jedes Mal so vor die Leinwand, als wäre es das Allererste Mal.

 

"FÜR EINEN IST DER HIMMEL . . ." der Himmel. Für Josef Taucher, zum Beispiel.

Für den aber auch schon lange die Berge der Himmel sind. "Für einen ist der Himmel..." war Titel einer der letzten Taucher-Personalen. In ihr zeigte er Beispiele aus den Serien "Himmel" und "Nacht" und Beweise für seine Fähigkeiten, das Massive und das Ätherische künstlerisch zu durchdringen. Den inneren Grimming in ein luftiges

Gebilde aufzulösen. Tonnenschweres schweben zu lassen. Was nicht heißt, Tauchers Bilder wären harmlos-heitere

Stücke für das Schlafzimmer. Tauchers Bilder, ältere wie neue, sind immer von großer atmosphärischer Dichte. Manchmal Bildberichte von der dunklen Seite des Mondes. Auf "Nacht 7" etwa erreicht die angesprochene Dichte die Grenzen des Bedrohlichen, nahezu Apokalyptischen. "When worlds collide."

 

ROCKET MAN.

Faszinierend die raffinierten Perspektivenwechsel, die oftmals in der Schwebe halten, ob der passionierte Mineraloge sein Motiv draußen in der Natur oder unter dem Mikroskop entdeckt hat. Und manche Bilder lassen sich um 90 oder 180 Grad kippen, was zu spannenden Positionswechseln führt. Aus dem windumbrausten Bergsteiger kann so plötzlich ein einsamer Raumfahrer werden, der in seiner Kapsel, das All quert. "It's lonely out in space on such a timeless flight." Elton Johns "Rocket Man" wäre ein passender Soundtrack.

 

GEMALT WIRD DAS ALL.

Auf Bildern bis zu einer Größe von drei mal zwei Metern. Wie geht denn das? Taucher (genau, erraten!): "Keine

Ahnung." Glauben wir nicht. "Es geht. Ich wundere mich selbst immer wieder." Es geht tatsächlich. Tauchers Bilder

sind aus jeder Entfernung faszinierend. Von weitem als gewaltige Panoramen, aus der Nähe als feine Pinselstrukturen.

Konzentriertes Action-Painting von hoher Präzision. "Mehr als fünfzehn Minuten", sagt Taucher, "kann ich das in einem nicht machen."

 

ABGESEHEN VON SEINER PROFESSION als Maler des Elementaren ist Josef Taucher passionierter Mineraloge. Zehn Jahre haben er und seine Gefährtin Christine Hollerer hart gearbeitet, um sich "Es hat uns genervt, bei jedem Fund mühsam nach bereits vorhandenen Daten und Literatur suchen zu müssen." und anderen Steinsuchern das Leben zu erleichtern. Mit "Die Mineralien des Bundeslandes Steiermark in Österreich". Die 2100 Seiten mit insgesamt 12.000 Ortseinträgen in zwei wuchtigen Bänden sind für die Liebhaber harter Sachen längst "der Taucher-Hollerer". Und absolut kein warmer Wind. Den mag Taucher nämlich so wenig wie den Süden, weshalb er konsequent von einem Atelier in Norwegen träumt. Mit offenen Fenstern auch bei Windstärke 8.

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Everything is real. And everything is invented. This short formula might be suitable for describing Josef Taucher’s art. Everything real: The jagged rocks. The falling waters. The alpine meadows lit by sun and moon. The clouds.

The varying shades of blue in the skies. The wind ripping over mountain edges, moving waters, shaping clouds, or forcing forms into constant metamorphosis.

Everything invented: Taucher’s montage making this an altogether new landscape, where what’s high becomes low; hard, soft; and front, back; whilst the wind whips the clouds into verticality.

HOW DO YOU PAINT WIND? Josef Taucher[1], who, despite his name is an enthusiastic mountaineer, is a legendary master of understatement: “No idea.” Could you be more precise please? “I can’t say why something turns into something as it does,” he says, playing the simpleton. But he is unconvincing in this rôle because, in conversation, he always reveals himself to be an expert in art history and artistic craftsmanship. The man knows everything about theory and practice. Yet, (and this is one of the major characteristics of his paintings) Josef Taucher wants to treat both himself and his audience to the element of surprise. And this is why he approaches the canvas every time as if it were the very first time.

"FOR SOME, THE SKY IS . . ." – the sky. Like for Josef Taucher, for instance. 

Josef Taucher LOVES MOUNTAIN PEAKS WITH THE WIND BLOWING OVER THEM AND STEEP ROCKFACES.

In HIS PICTURES HE PAINTS THE ROUGH FRESHNESS OF A REAL yet IMAGINARY MOUNTAIN WORLD.


[1] Taucher =  Diver (translator’s note)

Walter Titz: Tauch(er)gänge. In: VIA, Airportjournal,5/2004,  Graz 2004, S.96-99.

Walter Titz ist Kulturjournalist sowie langjähriger Kulturredakteur der Kleinen Zeitung Graz.